Sabine Fehlemann

 

Das Von der Heydt-Museum war gerade dabei, für das 100-jährige Jubiläum seine Sammlung neu zu hängen, als Matthias Beckmann sich mit seinem Skizzenbuch bei uns vorstellte. Da bedurfte es nur eines kleinen Geistesfunken, um 2 Dinge miteinander zu verknüpfen: Matthias Beckmann wollte von sich aus den Vorgang der Umhängung im Skizzenbuch aufzeigen, und daran hatten auch wir Interesse. Das Resultat liegt jetzt im Faksimiledruck vor.

Es gibt ungewöhnliche und einmalige Einblicke nicht nur in die technische Museumsarbeit.

Die Fähigkeiten des Künstlers, in Bildfeldern zu sehen, ohne jedwede technische Hilfe, erstaunen. Er braucht nur Bleistift und Papier, kein Lineal, kein Radiergummi und auch keine Kamera, um sich seine Bilder zu machen. Er setzt sich auf einen Hocker, schlägt das leere Buch auf und zeichnet, mit spitzem, hartem Bleistift, ohne abzusetzen die klaren Umrisse dessen, was er sieht, zügig aufs Papier.

Die Bildausschnitte der Blätter und die Ansichten der Darstellungen zeigen einen souveränen freien, zuweilen auch skurrilen Zugriff auf das Gesehene und die Fähigkeit, Nahes und Fernes in den ausschnitthaften Größenverhältnisssen mit Unter- und Aufsichten sicher zu platzieren in Form eines sensibel gezeichneten Tagebuchs. Seine persönlichen Eindrücke hat der Künstler unmittelbar dokumentiert.

Nicht ohne ein Quäntchen Ironie hat er z.B. die zusammengestellten Büsten nicht von ihrer Hauptansichtsseite, sondern alle von hinten gezeichnet und die Architektur dahinter mit Treppenaufgang mit einbezogen, als liefen Personen im Pulk zur Treppe hin.

Wenn Beckmann den Eindruck hatte, dass sich aus seinen ersten Ansätzen nicht das gewünschte Bild ergebe, hat er das Blatt umgedreht und ein neues angefangen. Da er aus dem Skizzenbuch nichts herausriss, ist die Abfolge seiner Zeichnungsideen nachzuvollziehen. Besonders groteske Ansichte, wie lediglich die Füße des Engels von Christian Daniel Rauch z.B., zusammen mit dem Zeichen, unter welcher die Nummer dieser im Acousticguide des Museums abzuhören ist, markieren seine subjektive Betrachterhaltung.

Noch nie wurde Ruth in the Kitchen von George Segal so festgehalten wie bei Matthias Beckmann, doch auch wenn sie in befremdendem Blickwinkel erscheint, man erkennt sie sofort wieder. Doch nicht nur „stillhaltende“ Skulpturen, sondern auch Schulkinder, die einer Führung folgen oder auch Aufsichtskräfte hat Beckmann in typischen Haltungen und Gesten notiert. Wenn es darum geht, Skulpturen voneinander abzuheben, hat er gelegentlich mit Schraffuren gearbeitet.

Die Möglichkeit bei einer Umstrukturierung im Museum, die eigentlich hinter verschlossenen Türen stattfindet, dabei sein zu können, hat nicht nur Matthias Beckmann beflügelt, sondern wird vielleicht auch dem Betrachter Vergnügen bereiten.

Mit schnellem Strich hat Beckmann wieder erkennbar seine Anmerkungen zu den Meisterwerken der Kunstgeschichte im Von der Heydt-Museum gezeichnet.

Typische Gesten der Mitarbeiter, untypische Blickwinkel, die nachvollziehbare Unordnung, Bilder, die vom Rand des Skizzenbuchs abgeschnitten erscheinen, all das macht zuweilen die Absurdität dieses lebendigen Buches aus. Corinths trunkene Bacchanten, Paula Modersohn-Beckers Bilder, die typischen Reliefs von Tony Cragg, ebenso wie die Leitern, die Farbtöpfe, die Stühle etc. sind von Beckmann in seiner für ihn charakteristischen lapidar, einfachen Umsetzung besser erfasst als jedes Foto es könnte.

Matthias Beckmann ist 1965 in Arnsberg geboren. Er lebt und arbeitet in Köln. Wir danken ihm für diese konzentrierte Chronik unserer Umbauphase zum 100-jährigen Jubiläum.

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