Matthias Beckmann

 

Im 19. Jahrhundert begaben sich zahlreiche Künstler der deutschen Romantik nach Italien. Sie studierten die antiken Bauwerke Roms und zogen mit dem Esel oder zu Fuß hinaus, wo sie eine unverfälschte, arkadische Landschaft suchten und in sorgfältigen Zeichnungen und Aquarellen festhielten.

2008 reiste ich von Kreuzberg in den Süden Berlins, denn auch hier galt es eine besondere Gegend zu entdecken. Wo ehedem Felder und Wiesen waren, entstand ab 1962, zunächst unter der Generalleitung des Architekten und Städteplaners Walter Gropius, eine Satellitenstadt.

Seit 2002 besteht das Pilotprojekt Gropiusstadt als internationales Residenzprogramm für Künstlerinnen und Künstler, die in der Regel für die Dauer einer Woche eingeladen werden. Häufig entstehen dabei künstlerische Ideen in Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Ortes. Vom 10. bis zum 17. August fand ich eine Unterkunft in der Künstlerwohnung im 12. Stock des Gropiushauses.

Meine Arbeitsweise ist nicht viel anders als die der Kollegen des 19. Jahrhunderts. Ausgerüstet mit einem Druckbleistift, einem Zeichenblock DIN A 4 und meinem faltbaren Anglerhocker war ich unterwegs. In dieser Woche entstanden zahlreiche Zeichnungen vor dem Motiv: der U-Bahnhof Lipschitzallee, der Wochenmarkt, Verkaufsstände mit Nylonstrumpfhosen und Spreewaldgurken, ältere Damen im Frisiersalon, ein Gottesdienst in der St. Dominicus Kirche, das Innere der an ein Schiff erinnernden Dreieinigkeitskirche, Spielplätze inmitten des hier vorherrschenden Grüns, Baustellen, das geschäftige Treiben in den Gropius Passagen, das Wutzky-Center, meine Wohnung in der Lipschitzallee 49, der Blick aus dem 12. Stock auf die Gropiusstadt, ein Country- und Sommerfest mit Livemusik und Kirmesbuden auf dem zentralen Platz.

Den Bewohnern der Gropiusstadt möchte ich mit diesem Heft die Bilder zurückbringen, die ich hier gefunden habe.

Berlin, im April 2009

 

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