Martina Altschäfer

 
Kein Flugzeug am Himmel

Kein Flugzeug am Himmel, stellt der Zeichner fest. Ist dies hier nicht ein Einflugkorridor? Flugverbot wegen des Hessentags, erklärt der Local Scout, das würde ja sonst die Konzerte stören. Der Zeichner findet diese Rücksichtnahme angemessen.

Der Photograph im Stadttheater wartet auf Wladimir Kaminer. Er hat schon sein mobiles Photostudio aufgebaut und braucht ein Ersatzmodell zum Ausleuchten. Der Zeichner hat erfolgreich die Eingangskontrollen überwunden, Bühne, Lesepult und Bühnentechnik gezeichnet und hat jetzt Zeit. Er steht Modell bis das Licht optimal ist. Dann kommt Kaminer und nimmt seinen Platz ein.

Der Zeichner hat ein Fahrrad zur Verfügung gestellt bekommen mit dem er nicht fährt. Er behauptet, er wäre zu Fuß mobiler. Außerdem würde er über das Zeichnen vergessen, wo er das Rad abgestellt habe.

Wegen der Sicherheitsbestimmungen erlaubt man dem Zeichner nicht, seine große schwarze Umhängetasche in der er seine Zeichensachen, einen Schirm und einen Klapphocker hat, mit auf das Konzertgelände zu nehmen. Wenn er sein Arbeitsmaterial in eine blau-gelbe Lidlplastiktüte packt, kommt er komischerweise ohne Beanstandung durch die Kontrollen.

Der Zeichner hat einen Presseausweis. Sein Local Scout auch. Trotzdem wird ihm bei einem Konzert der Eintritt verwehrt. Er wird zum Presseeingang geschickt. Ob er schreiben oder photographieren wolle, wird gefragt. Zeichnen, sagt der Zeichner. Man will seinen Photoapparat sehen. Er hat keinen, weil er keine Photos macht sondern zeichnet. Wie das denn, will man wissen. Mit Stift und Papier, sagt der Zeichner geduldig. Also Schreibende Zunft, stellt der Wachmann kategorisch fest, dann sind sie hier falsch. Er schickt den Zeichner exakt zu dem Eingang zurück, von dem er gerade gekommen ist. Dort wird er erneut abgewiesen. Mit einer Presseakreditierung, erklärt man ihm, muss er zum Presseeingang zurück. Der Wachmann dort kennt ihn schon. Sie schon wieder, sagt er und will erneut den Photoapparat sehen. Weil der Zeichner immer noch keinen hat, wird nach der Vorgesetzten gefunkt. Sie ist aber gerade nicht erreichbar, weil der Empfang gestört ist. Man wartet. Das Konzert beginnt vorerst ohne den Zeichner.

Endlich kommt die Vorgesetzte. Ohne Photo müssen sie zum normalen Eingangsbereich zurück, kommandiert sie.

Irgendwann haben Zeichner und Begleitung doch noch Plätze zugewiesen bekommen. Unterdessen ist es so dunkel, dass der Zeichner nicht mehr zeichnen kann. Aber das Konzert ist super.

Der Zeichner ist den ganzen Tag in der brütend heißen Stadt herumgelaufen und hat gearbeitet. Er sitzt mit dem Local Scout auf dessen Terrasse und isst ein Butterbrot. Wein dazu und Sonnenuntergang und die Skorpions schwänzen. Die Musik liegt so laut über den Dächern, dass man mitsingen kann.

Der Zeichner hat früh morgens angefangen zu zeichnen. Abends ist er mit dem Scout im Vereinsdorf zu Punkrock verabredet, danach geht man ins Trachtenzelt. Die Oberkrainer, Bier dazu. Ein Fahrradmechanikermeister isst sehr langsam Pommes frites. Der Zeichner könnte jetzt Trachten zeichnen, wenn er noch Energie hätte.

Der Zeichner will die Artisten des Tigerpalastes in Aktion zeichnen. Man weist ihm einen Platz am hintersten Hallenende zu, von dem er nichts sieht. Er steht während der ganzen Vorstellung neben der Bühne. Der Local Scout hütet derweilen in der letzen Reihe des Zeichners Klapphocker, der den Brandschutzbestimmungen nicht genügte.Von hier sieht es bei einer Nummer aus, als ob Zuschauer in den ersten Reihen glitzernde Fransenteppiche in irrem Tempo auf ihren Köpfen kreisen lassen.

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