Christoph Schreier

Matthias Beckmann im Kunstmuseum Bonn

 

Skizzenbücher waren über Jahrhunderte gängige Begleiter nicht nur von Künstlern, sondern auch von künstlerischen Laien. Man bedient sich ihrer um Eindrücke und Erfahrungen festzuhalten, eine Aufgabe, die später vom mechanischen Reproduktionsmedium der Fotografie übernommen wurde. Entsprechend rar sind sie geworden, jene Skizzenbücher wie sie der 1965 in Amberg geborene und heute in Köln lebende Zeichner Matthias Beckmann in den letzten Jahren vollendet hat. Sie dokumentieren Entdeckungsreisen mit dem Bleistift, die, statt auf das fertige Werk zu zielen, einen Prozess der Aneignung veranschaulichen. Zeichnung vergegenwärtigt solchermaßen die Frische einer ersten Begegnung, einer spontanen, visuell gesteuerten Auseinandersetzung, zu deren Objekt seit einiger Zeit auch das Museum und die in ihm verwahrte Kunst wurde. So besuchte Beckmann im Jahr 2001 das Musée National d`Art Moderne im Centre Georges Pompidou in Paris, wo eine ganze Serie von Zeichnungen entstand. Im Stile einer reinen, nicht näher - etwa durch Schraffuren - ausdifferenzierten Linienkunst schildert Beckmann die Begegnung mit Werken der Moderne. Charakteristischerweise stehen diese niemals für sich selbst. Sie sind vielmehr Objekte einer Rezeption, die sich in Gestalt der im Bild auftauchenden Betrachterin konkretisiert. In diesem Sinne geht es Beckmann nicht um eine reine Dokumentation, eine eins zu eins Umsetzung von etwas Gesehenen. Statt dessen definiert sich Zeichnung für ihn als Produkt einer gleichermaßen sensiblen wie intelligenten Wahrnehmung, die über ein nur registrierendes  Sehen weit hinausgeht.

Dies manifestiert sich auch anhand der Skizzen, die im Frühjahr 2002 im Kunstmuseum Bonn entstanden. Sie zeigen den wachen Blick eines exemplarischen Besuchers, der seine Aufmerksamkeit durch die Räume flanierend mal der Architektur von Axel Schultes, dann aber auch einzelnen Objekten zuwendet. So skizziert er den "Filzanzug" von Joseph Beuys sowohl aus der Distanz als auch in Nahsicht, so dass man fast von einer filmischen Fokussierung sprechen könnte. In jedem Fall wird der individuelle Prozess der Annäherung nachvollziehbar, in dessen Verlauf das Gesehene zum Wahrgenommenen wird, das heißt in den eigenen Erfahrungsschatz eingeht. Auf diese Weise repräsentiert Beckmanns Skizzenband mehr als eine visuelle Inventur des Kunstmuseums Bonn im zehnten Jahr seines Einzugs in den Bau von Axel Schultes, es thematisiert weitergreifend auch eine Hermeneutik der Kunsterfahrung, die nicht nur die Fremdheit des Kunstwerks überwindet, sondern dieses zu einem Teil unseres Erlebens, unseres Selbst macht.

 

 

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